Jamila Schäfer ist gerade erst 25 und seit Januar 2018 stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen. Sie war mit 8 Jahren auf ihrer ersten Demo und sie dachte eigentlich, dass sie mal als Greenpeace Aktivistin enden würde. Jetzt arbeitet sie mit Grünen-Chef Robert Habeck, Annalena Baerbock und Toni Hofreiter an der Spitze der Grünen. Ihr Ziel ist es die Politik zu entmystifizieren und Brücken zwischen der Politik und den Menschen zu bauen.
Als Jugendliche freue ich mich natürlich, wenn die Spitze einer Partei auch von jungen Politikern geführt wird. Aber was macht man als stellvertretende Vorsitzende überhaupt alles und welche Themen bringt sie für die Zukunft der Partei mit? Für diese Fragen habe ich mich mit Jamila Schäfer in München getroffen und habe mit ihr darüber geredet.
Bei einem Cappuccino an einem kleinen Tisch im Stadtcafe am Münchner Stadtmuseum stellte ich dann meine erste Frage. Seit einem Jahr bist du jetzt stellvertretende Bundesvorsitzende bei den Grünen, für welche Aufgaben bist du zuständig und hast du ein Ziel das du mit deiner Arbeit erreichen willst?
Jamila Schäfer: Wir sind ein Team aus sechs Leuten im Bundesvorstand und arbeiten viel an gemeinsamen Projekten. Aktuell arbeiten wir auch an einem neuen Grundsatzprogramm für die Partei. Unser altes Grundsatzprogramm ist aus dem Jahr 2002. Seitdem hat sich die Welt und damit auch die Herausforderungen für grüne Politik geändert. Wir diskutieren über kniffelige Fragen, zum Beispiel, wie Politik handlungsfähiger werden kann, um auch in einer globalisierten und digitalisierten Welt im Interesse des Gemeinwohls Regeln zu setzen. Wie wir die planetaren Grenzen zu Leitplanken unseres Handelns machen. Wie wir einen Sozialstaat gestalten, der die Menschenwürde zum greifbares Leitmotiv macht oder wie wir die europäische Union handlungsfähig machen in einer Welt, in der ein gemeinsames multilaterales Vorgehen durch Nationalismus, autoritäre Ansätze und Großmachtdenken erschwert und blockiert wird. Ich gehe regelmäßig in die Fraktionssitzungen und in die Arbeitskreissitzungen zu internationaler Politik und Menschenrechten im Bundestag. Hier wird viel über das Geschehen in der Welt gesprochen und darüber, wie wir grüne Menschenrechts- und Friedenspolitik gestalten und die Welt global gerechter machen können. Vor Kurzem war ich das erste Mal auf einer partei- und länderübergreifenden Konferenz in Jerusalem, wo die Teilnehmenden aus verschiedenen Perspektiven über die sicherheitspolitische Lage im Nahen Osten gesprochen haben. Auch die Ergebnisse und Eindrücke von politischen Auslandsreisen und Konferenzen werden in dem Arbeitskreis geteilt. Das ist oft besonders spannend, finde ich.
Aktuell kümmern wir uns im Bundesvorstand gemeinsam darum, die Kampagne für die Europaparlamentswahl im Mai vorzubereiten. Dafür werden zum Beispiel Plakatmotive und Veranstaltungsformate entwickelt und Themenschwerpunkte besprochen. Außerdem bin ich zuständig für die internationale Vernetzung. Dazu gibt es aktuell auch einige Projekte die mit der Europaparlamentswahl zu tun haben. Zum Beispiel organisiere ich gerade einen Workshop, um Grüne aus den Nachbarländern zu unterstützen, die sich zur Vorbereitung ihrer eigenen Kampagne zur Europawahl mit Verantwortlichen aus unserer Partei über Wahlkampfvorbereitung, Campaigning, Parteiaufbau oder Fundraising treffen und austauschen wollen. Außerdem kommunzieren wir natürlich viel mit unserer Europäischen Grünen Partei, weil der europäische Wahlkampf mit unserem Wahlkampf in Deutschland koordiniert werden muss. Und wir planen ein paar grenzüberschreitende Wahlkampfaktionen.
Das sind alles sehr spannende Aufgaben. Darüberhinaus mache ich mir aktuell viele Gedanken darüber, wie man mehr Jugendliche mit politischen Inhalten erreichen kann und wie man Politik besser erklärt. Viele Leute haben oft sehr viel Begeisterung und Interesse für politische Fragen, aber fühlen sich von Parteien eher abgeschreckt und beziehen heutzutage auch ganz anders Informationen als noch in den Zeiten vor Instagram, Facebook, Netflix und Co. Als Partei sind wir gefragt zu erklären, wieso es vielleicht doch attraktiver ist, sich am Donnerstagabend einer Debatte zum Grundsatzprogramm zu widmen, als der nächsten Netflix-Serie. Denn schließlich ist eine Demokratie nur so lebendig wie die Demokratinnen und Demokraten, die sie durch ihre Partizipation am Leben halten.
Es gibt ja mittlerweile schon einige Firmen die Bioplastikprodukte aus Zuckerrohr oder Styropor aus Pilzen herstellen. Wo liegt bei uns in Deutschland eigentlich das Problem, dass Bioplastik nicht mehr gefördert wird?
Jamila Schäfer: Zunächst einmal muss man bei Bioplastik ganz genau hinschauen. Für die Herstellung von kompostierbarem Kunststoff wird oft ebenfalls in großem Umfang fossile Energie und Bodenfläche verbraucht, weshalb die Ökobilanz dieser Produkte oft nicht unbedingt besser ist. Außerdem wird kompostierbares Plastik häufig auch in Müllverbrennungsanlagen entsorgt, weil sich diese Verwertung finanziell eher lohnt und es kein eigenes Recyclingsystem für kompostierbares Plastik gibt. Drum ist es besser, Mehrwegverpackungen zu nutzen und Plastik ganz zu vermeiden.
Ein grundsätzliches Problem dafür, dass in der Industrie immer noch so viel Plastik genutzt wird, ist, dass es so billig herzustellen und zu nutzen ist und die Umstellung auf umweltfreundlichere Stoffe für einige Unternehmen ein Nachteil auf dem Markt bedeuten würde. Jedes Unternehmen, das in unserem Wirtschaftssystem überleben will, muss am Ende in allererster Linie auf die eigenen Profite schauen. Und solange sich die Nutzung umweltschädlicherer Produkte oder Technologie lohnt, wird sie in einem Wirtschaftssystem, das auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, auch genutzt. So zerstört die Art und Weise wie wir wirtschaften langfristig unsere Lebensgrundlage. Das kann natürlich nicht so weiter gehen.
Ein erster Schritt, um das Plastikproblem in den Griff zu bekommen, wäre, alle Unternehmen zu verpflichten, immer mehr recyclebare Produkte zu benutzen, Sorten von Wegwerfplastik sofort zu verbieten und eine Plastiksteuer einzuführen, sodass sich die Nutzung von Plastik weniger lohnt.
Wenn wir in Zukunft keine Ozeane haben wollen, in denen mehr Plastikteilchen als Fische schwimmen, muss unsere Umweltpolitik mutiger werden und auch Verbote als Mittel nutzen, um das Gemeinwohl gegen kurzfristige Profitinteressen besser schützen zu können.
Die Bekämpfung des Klimawandels (siehe Elektroautos statt Dieselfahrzeuge oder Wind- und Sonnenenergie anstatt Kohlekraftwerke usw.…) ist ja eine riesige und umfangreiche Aufgabe. Wie skeptisch sind die Grünen, dass die aktuelle Regierung das schafft?
Jamila Schäfer: Ich war selber in Kattowitz, als dort Anfang Dezember die diesjährige Klimakonferenz stattfand. Ich fand es sehr schade, dass die Bundesregierung versäumt hat, den Kohleausstieg einzuleuten, obwohl das dringend nötig wäre, um die Klimaziele, die sich die Staatengemeinschaft 2015 auf der Klimakonferenz in Paris gegeben hat, noch einzuhalten. Ihr Image als Vorreiterin für den Klimaschutz hat die deutsche Bundesregierung damit total verspielt.
Ich habe mich mit den Verhandlern von zwei sogenannten Entwicklungsstaaten unterhalten, mit Verhandlern aus Tovalu, einem pazifischen Inselstaat bei den Fidschi Inseln und einem Vertreter aus Äthiopien. In beiden Ländern ist der Klimawandel schon deutlich zu spüren. In Tovalu ernähren sich die Leute hauptsächlich von Fisch, der durch das klimawandelbedinget Korallensterben weniger wird und ihre Insel droht durch den Anstieg des Meeresspiegels bald unterzugehen. In Äthiopien sind viele Menschen von Landwirtschaft abhängig und leiden unter Ernteausfällen durch Trockenheit. Viele sind Binnenflüchtlinge und gezwungen, ihre Heimat aufgrund der klimatischen Bedingungen zu verlassen. Die Länder hoffen auf bessere Hilfen aus den großen Industriestaaten, die den Klimawandel hauptsächlich verursacht haben. Doch leider haben auch bei dieser Klimakonferenz hauptsächlich die wirtschaftlichen Interessen der Industriestaaten die Bereitschaft gemindert, hier mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist eigentlich total bekloppt, den Erhalt der Lebensgrundlagen immer wieder industrie- und wirtschaftspoltiischen Interessen unterzuordnen. Denn auch die Wirtschaft ist in starkem Maße von der Natur abhängig. Ohne Menschen und eine natürliche Lebensgrundlage gibts keine Produktion und keine Industrie.
Die Aufgabe den Klimawandel aufzuhalten ist für die Grünen das wichtigste Zukunftsthema und steht auch ganz oben auf der Agenda. Mit welchen Koalitionspartnern wäre das in Deutschland am ehesten für die Grünen machbar?
Jamila Schäfer: Wenn man sich jetzt die Programme der Parteien ansieht dann wären die Linken tatsächlich am nächsten dran was die Klimaschutzziele betrifft. Natürlich gibt es bei anderen Themen aber wieder unterschiedlichere Ansichten, wo es dann bei anderen Parteien größere Überschneidungen gibt. Es gibt auch bei der CDU und der SPD einige Politikerinnen und Politiker die den Klimaschutz sehr wichtig finden und es gibt sogar bei der FDP ein paar. Aber leider wird Klimaschutz oft gegen andere Ziele ausgespielt. Wie absurd das in Bezug auf die Wirtschaftspolitik ist, habe ich ja schon erwähnt. Aber es gibt auch immernoch viele Politikerinnen und Politiker, die Sozialpolitik gegen den Klimaschutz ausspielen und behaupten, der Kohleausstieg wäre sozialpolitisch nicht vertretbar, weil dadurch Arbeitsplätze verloren gingen. Man braucht nicht drum herumreden, dass es soziale Fragen zu klären gibt, wenn man den Kohleausstieg einleitet. Natürlich braucht es Perspektiven für die Entwicklung ehemaliger Braunkohleregionen und Umschulungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und soziale Absicherungsmaßnahmen, die für die ehemaligen im Bergbau beschäftigten Menschen finanziert und bereitgestellt werden müssen. Ich verstehe auch, dass es manchen Bergarbeitenden vor so einem Umbruch vielleicht graut. Aber er wird sowieso kommen, allein schon, weil Kohle eine begrenzte Ressource ist. Die Frage ist nur wann und wie der Ausstieg gemacht wird. Klimaschutz ist kein Luxus, den man sich nicht leisten können muss. Jeder, der sich mal ein paar Minuten mit der Lage in Äthiopien oder Tovalu vertraut gemacht hat, wo die Ärmsten der Armen schon jetzt massiv unter den Folgen der Erderwärmung leiden, weiß, dass das Blödsinn ist. Es ist eine humanitäre und soziale Notwendigkeit, eine anständige Klimaschutzpolitik zu machen. Ich glaube, dass es da bei potenziellen Koalitonsverhandlungen mit den meisten anderen Parteien noch viel Diskussionsbedarf gäbe. Gerade die FDP will die Bundesrepublik gern erstmal aus der Verantwortung nehmen, frei nach dem Motto: „Erstmal die anderen. Die sollen erstmal aufhören, den Regenwald abzuholzen.“ Aber wer, wenn nicht die reichen Industriestaaten, soll denn mit einer radikal-realisitschen Klimapolitik anfangen? Jeder Schritt ist entscheidend.
Als wir unseren Cappuccino dann ausgetrunken hatten (der übrigens sehr lecker war), machten wir zusammen vor dem Cafe am St.Jakobsplatz zum Abschluss noch ein Selfie. Es war für mich schon sehr interessant, wie die Arbeit an der Grünen-Spitze so aussieht und welche Ideen und Meinungen sie dazu einbringt. Ich glaube, dass sie auch ein wichtiger Faktor ist um mehr Jugendliche für Politik zu motivieren und das ist ein Ziel das ich als Jugendliche absolut unterstütze.