Tobias Gotthardt ist Landtagsabgeordneter von den „Freien Wähler“ und Vorsitzender des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten im Bayerischen Landtag. Die Partei „Freien Wähler“ waren für mich noch bis vor kurzem ein Buch mit sieben Siegeln. Aber seit dem Interview mit unserem Bildungsminister Herrn Piazolo und dem aktuellen Interview mit Tobias Gotthardt sieht das schon anders aus. Ich sehe die Freien Wähler langsam als echte Alternative zu den etablierten Parteien. Und genau das ist total wichtig, denn je mehr Parteien wir haben, die auch für Jugendliche eine echte Alternative sind, umso besser ist das.
Gerade für europäische Themen gab es für mich bis jetzt keine kompetenten Gesprächspartner. Das sich endlich geändert hat, denn auch für meine Generation sind Themen wie Brexit oder Einwanderungspolitik wichtig. Und das waren auch genau die Fragen, die ich mit Tobias Gotthardt besprach.
Der Brexit und die Folgen für uns Schüler
Wie sicher ist der neue Brexit-Deal und was ist der große Unterschied zwischen einem Deal und no-Deal? Tobias Gotthardt: Sicher ist beim Brexit bis zum heutigen Tag gar nichts. Ein Grund, warum ich seit drei Jahren sage: Ich glaube an diesen Brexit erst, wenn er wirklich passiert. Zuvor werde ich bis zum letzten Tag dafür kämpfen, dass er nicht passiert. Der Unterschied zwischen deal und no-deal ist eklatant: Es ist die Frage, ob ich Fußball mit Regeln spiele – oder einfach durch ein Spielfeld bolze. Letzteres ist eigentlich keine Art, um dauerhaft politisch und wirtschaftlich zu kooperieren.
Aber welcher Auswirkung hat er für uns Jugendliche? Denn viele Schulen haben Kooperationen oder viele Schüler machen auch in England Sprachreisen. Was wird sich diesbezüglich für uns Schüler ändern? Tobias Gotthardt: Die großen Änderungen betreffen zunächst die Jugendlichen in Großbritannien. Wer nicht mehr Teil der EU ist, kann auch nicht mehr von ihren Vorteilen profitieren: Freizügigkeit bei der Berufswahl, Erasmus-Förderung im Studium, ein Arbeitsplatz im Ausland – von all dem profitieren junge Menschen in Europa. Die junge Generation Großbritanniens wird dabei ins Aus gedrängt. Schwierig für uns wäre ein ungeordneter Austritt. Dann nämlich kann es beispielsweise beim Schüleraustausch zur Visa-Pflicht kommen – das wäre teuer und aufwendig.
Bayern vs. Europa
Welchen Einfluss kann ein Bundesland wie Bayern in Europa ausüben und was ist deine Aufgabe dazu? Tobias Gotthardt: Unser erster Weg geht über den Bundesrat. Dort können wir uns direkt in EU-Gesetzgebung einmischen. Das Zauberwort heißt Subsidiarität: Die jeweils höhere Ebene darf nur das machen, was die kleinere Ebene darunter nicht alleine kann. Heißt: Was Bayern selber regeln kann, soll es im Grundprinzip auch selber regeln dürfen. Über das „Subsidiaritäts-Frühwarnsystem“ des Lissabon-Vertrags kann der Bayerische Landtag zudem offiziell aktiv überwachen, ob und inwieweit das Subsidiaritätsprinzip gewahrt bleibt. Gegen Subsidiaritätsverletzungen kann ein Bundesland eine „Subsidiaritätsklage“ erheben.
Der türkische Präsident Erdogan und die größte Herausforderung für die europäische Einwanderungspolitik
Europapolitik ist aber auch Einwanderungspolitik: Wie sieht man in Europa die momentane Regierungspolitik in der Türkei? Nach der berechtigten Kritik der EU zum Einmarsch nach Nordsyrien, drohte der türkische Präsident Erdogan damit, die Grenzen zu öffnen und Millionen Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Ganz ehrlich wie geht man als Politiker damit um, was denkt man in Europa darüber, weil es ja diesbezüglich nicht die erste Drohung bzw. Erpressungsversuch von Präsident Erdogan ist? Und ist es richtig wenn ich sage, dass die Einwanderungspolitik die größte Herausforderung für die EU seit ihrem Bestehen ist? Tobias Gotthardt: Was Erdogans Politik in Nordsyrien betrifft, pflege ich Klartext: Sein Einmarsch in diese souveräne, von den Kurden vor Jahren befriedete Region ist völkerrechtswidrig. Sie ist geopolitischer Irrsinn – und vernichtet die Ergebnisse eines jahrelangen, schweren Kampfes gegen den IS. Meines Erachtens war die Kritik der EU daran noch viel zu leise und zu milde. Richtig wäre es, beispielsweise jegliche finanzielle Unterstützung der Türkei einzustellen. Allein über die EU-Heranführungshilfen wurden seit 2014 fast 5 Milliarden Euro überwiesen, hinzu kommen 6 Milliarden Euro für den Flüchtlingspakt. Dieser ist ohnehin problematisch: In der Tat haben wir uns so zum Spielball eines politisch kaum kalkulierbaren Egomanen gemacht. Das ist nicht gut für Europa, denn: Ja, die Bewältigung der Flüchtlingskrise ist mindestens eine der allergrößten Herausforderungen, die Europa jemals hatte.
Tobias Gotthardt über seine Partei „Die Freien Wähler“
Du bist Landtagsabgeordneter und für die Freien Wähler im Bayerischen Landtag. Was waren für dich die Hauptgründe zu den Freien Wählern zu gehen? Tobias Gotthardt: Ich mag Politik für Menschen, mit gesundem Menschenverstand. Beides bieten die FREIEN WÄHLER in ihrer stark basisorientierten Struktur. Unsere Positionen entstehen nicht fernab in irgendwelchen Parteizentralen. Wir positionieren uns im Dialog – in den Rathäusern, den Landratsämtern und auf den Marktplätzen Bayerns. Dieser Stil begeistert mich: Wir sind Bayerns große Bürgerbewegung. Davon ein aktiver Teil zu sein, ist mir eine echte Ehre.