Corona und Schule ist keine gute Kombination und birgt Unmengen an Problemen. Ich würde mir wünschen, dass man es auch in der Politik noch mehr thematisiert. Deswegen finde ich es auch richtig gut, dass es einen Podcast gibt, in dem genau das besprochen wird. Mit interessanten Gästen wie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek oder PISA-Chef Andreas Schleicher diskutiert Tobias Peter über die Probleme der deutschen Bildungspolitik.
Im wahren Leben ist Tobias Peter Korrespondent im Hauptstadtbüro für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Gerade beim jungen Publikum wird das Medium Podcast immer beliebter und erfolgreicher und da Bildungspolitik ein alltägliches Thema für meine Generation ist, möchte ich den Podcast „Die Schulstunde“ von Tobias Peter mal vorstellen.
Deswegen habe ich mit Tobias telefoniert und wollte wissen, welches Fazit er von den bisherigen Gesprächen die er für seinen Podcast geführt hat, bis jetzt ziehen kann. Auch auf meinem Blog ist die Krankenakte „Bildungspolitik“ gerne mal Thema, weil ich es als Schülerin auch täglich spüre.
Im Grunde geht es um die gleichen Probleme die auch schon vor den Schulschließungen zu sehen waren, nur dass Corona sämtliche Probleme und Versäumnisse jetzt sichtbarer gemacht hat, so Tobias Peter.
Wo sind die Baustellen in unserem Bildungssystem und was hat also Corona aufgedeckt? Tobias Peter: „Die digitale Ausstattung der Schulen, die Aus- und Fortbildung der Lehrer in Sachen digitales Unterrichten, das alles ist leider mangelhaft. Die bittere Wahrheit ist: Vor Corona haben in der Politik einfach zu wenige verstanden, wie drängend es ist, die Schulen schnellstmöglich und vernünftig zu digitalisieren. Die Kultusminister und die anderen Politiker haben sich wie Schüler verhalten, die beim Lernen für die Klassenarbeit bestimmte Sachen einfach weglassen – in der Hoffnung, das werde schon nicht drankommen.
Auch das Hygienekonzept in den Schulen ist, nett gesagt, nicht überall wirklich ausgereift. Es kann ja nicht sein, dass Schüler lieber warten bis die Schulzeit vorbei ist um dann zu Hause erst auf die Toilette zu gehen. Das ging mir schon zu meiner Schulzeit so. Es ist erbärmlich, dass es an vielen Schulen heute noch so ist.
Das zentrale Thema muss meiner Meinung nach Bildungsgerechtigkeit sein. In einer meiner letzten Sendungen habe ich mich mit PISA-Chef Andreas Schleicher über die Schule der Zukunft unterhalten. Er hat sehr deutlich gemacht, wo die Grenzen beim „Home-Learning“ tatsächlich liegen. Denn gerade Schüler die zu Hause nicht so gut gefördert werden können, aufgrund von finanziellen Einschränkungen innerhalb der Familie, haben aktuell noch größere Nachteile als sonst. Wer keinen eigenen Laptop oder ein eigenes Zimmer zum ungestörten Lernen hat, ist ohnehin krass benachteiligt – und jetzt eben noch viel mehr. Eine vernünftige Integration von Schülern, die noch nicht so gut Deutsch sprechen, ist aktuell erst Recht kaum möglich.
Ich schließe daraus zwei Dinge: Erstens fände ich es ungerecht, wenn auch nur ein Schüler wegen Corona sitzenbleibt. Denn es würde wieder vor allem die treffen, die sowieso Startnachteile haben. Das ist nicht fair – und deshalb sollte die Politik das Sitzenbleiben in diesem Jahr aussetzen. Zweitens brauchen wir spätestens nach Corona massenweise zusätzliche Förderangebote für die Schüler, die unter dem Ausfall von Präsenzunterricht besonders gelitten haben.
Auch wenn das nicht alle Probleme gelöst hätte: Natürlich hätte die Politik bei der digitalen Ausstattung schneller sein müssen. Ich hätte es darüber hinaus richtig gefunden, Lehrer in den Sommerferien zu Fortbildungen für digitales Unterrichten zu verpflichten. Man hätte ihnen dann natürlich auch ein entsprechend gutes Angebot machen müssen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat mir gesagt, ein solches Angebot habe es flächendeckend eben einfach nicht gegeben. Nur: Wie schwach ist das, wenn die Verantwortlichen in Bund und Ländern es in der Situation nicht hinbekommen, eine Lösung in die Spur zu bringen?
Auf den Punkt gebracht: Deutschland hätte sich auf das neue Schuljahr besser vorbereiten müssen. Das wäre sowohl möglich als auch zwingend notwendig gewesen. Dass eine zweite Corona-Welle kommen könnte und würde, haben alle gewusst. Da ist viel versäumt worden.
Ich sage nicht, dass die politisch Verantwortlichen diese Fehler aus bösem Willen gemacht haben. Offenbar haben viele gehofft, die zweite Corona-Welle würde schon nicht so schlimm. Veränderungen im Bildungssystem dauern zudem in der Regel extrem lang, weil jedes Land für sich zuständig ist – und sich bei vielem alle erst einigen müssen. Es wäre gut, mehr Dinge bundeseinheitlich zu regeln. Bundesbildungsministerin Karliczek will das auch – aber es wird ein langer Weg, die Länder davon zu überzeugen. Daran sind vorher schon andere gescheitert.
Alle müssen sich bewegen, um Deutschlands Schulen fitter für die Zukunft zu machen. In den PISA-Vergleichen war Deutschland schon vor Corona bestenfalls gutes Mittelmaß. Die Kinder und Jugendlichen haben mehr verdient – noch dazu in einem Land, dass es sich zweifellos leisten kann, seine Schulen gut zu finanzieren und auszustatten. Es müssen nur alle wollen.„
Damit haben wir wieder das Thema Bildungsföderalismus. Ich weiß nicht ob es möglich ist alle 16 Bildungsminister unter einen Hut zu bekommen. Somit bleibt nur die Hoffnung, dass die Politik aus den letzten Monaten etwas gelernt hat und die Bildungspolitik schnellstmöglich modernisiert wird. Obwohl ich es ziemlich traurig finde, dass man ein Gefühl der Hoffnung bei dem Thema haben muss. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir noch sehr oft darüber reden werden oder besser gesagt, müssen.
Livia Kerp