Aus meiner Kolumne für das Online-Magazin LangweileDich.net:
Stelle dir einfach mal vor, du sitzt als Laie im Bundestag. Du siehst den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, wie er mit hochrotem Kopf zwischen zwei Abgeordneten verhandeln muss. Ein ungewöhnliches Bild? Leider nein, denn Hass und Hetze gibt es mittlerweile auch in der Politik. Doch droht die Debattenkultur in Deutschland zu verrohen, wenn schon unsere Politiker mit einer gewissen Vorbildfunktion nicht mehr auf Augenhöhe diskutieren können?
Debatten haben drei wichtige Aufgaben. Sie sollen Meinung bilden, inspirieren und verbinden. Ich glaube, dass nicht viel Gutes dabei rauskommen wird, wenn weniger konstruktive Kritik aber dafür mehr Hass in Diskussionen dominieren. Ich denke dabei an eine Situation im bayrischen Landtag. Der stellvertretende Landtagspräsident Alexander Hold musste mal einen AFD-Abgeordneten abstrafen, da er aus Provokation im Hinblick auf die Maskenpflicht, mit einer Gasmaske ans Rednerpult trat und sich die ganze Zeit weigerte die Gasmaske abzunehmen, um sie durch eine normale Maske zu ersetzen. Da muss ich mal kurz durchatmen. Ich frage mich, ist das konstruktive Kritik oder einfach nur billige Provokation? Und das sind alles erwachsene Menschen, die in der Politik tätig sind.
Irgendwie schon traurig. Wenn man in den Nachrichten oder Diskussionssendungen sieht, wie Politiker nicht mehr diskutieren, sondern einfach nur noch ihre Ideologie loswerden wollen. Da verliert man doch auch gewisses Vertrauen was man in der Politik aber eigentlich haben muss. Sie haben eine Vorbildfunktion, das muss jedem Politiker klar sein. Wenn die in der Politik das so machen, dann machen wir das auch. Das denken sich dann viele. So kommt es, dass man auch als „Normalo“ die Motivation verliert, vernünftig zu diskutieren und seine Meinung mit anständigen Worten auszudrücken. Die Politik macht es doch vor.
Also mich hat diese Gasmaske weder inspiriert, noch habe ich mir dadurch eine Meinung zum Thema Maskenpflicht bilden können.
Apropos mit Worten eine Meinung auszudrücken. Besonders im Netz gibt es dafür einige Möglichkeiten. Wie Facebook oder Twitter. So haben natürlich auch viele Politiker einen Facebook- oder Twitter-Account. Was auch grundsätzlich in Ordnung ist, wenn man nicht Donald Trump heißt. Es kann interessant und informativ für die Leser sein und für Wahlkampagnen auch sehr hilfreich sein.
Doch auch dieses Medium kann negativ verwendet werden, um als Politiker seine Ideologie zu verbreiten. Ob es nun der Wahrheit entspricht oder auch nicht. Aber nicht jeder Politiker macht da mit. Robert Habeck ist ein richtiger Vorreiter. Er hat 2019 seinen Twitter-Account gelöscht. Für ihn entwickelte sich Twitter als ein „Instrument der Spaltung“. Nicht nur von dem was ein Politiker hier von sich gibt. Sondern auch wegen den Aussagen in den Kommentaren. Klar jeder kann kommentieren, wie er will. Aber wenn es dann nur noch beleidigend oder aggressiv wird, dann wird es schwierig und darauf hatte der Grünen-Chef einfach keinen Bock mehr. Kann man auch verstehen, wenn man den ganzen Tag mit Hate Speech im Internet umgehen muss.
Sollten wir also alle aus der Online-Welt aussteigen und keine politischen Debatten mehr ansehen, um so zu lernen, wieder richtig zu diskutieren? Puh. Wo sind wir hier nur gelandet?
Menschen, die einen aggressiven oder radikalen Kommentar schreiben, haben ein großes Problem mit ihrem Selbstwertgefühl, laut dem Sozialpsychologe Herrn Professor Asbrock. Auch er rät, sich gegenseitig ernst zu nehmen und niemanden auszugrenzen, nur weil man sich in seinem Ego angegriffen fühlt. Leichter gesagt als getan. Anscheinend.
Zusammengefasst finde ich, dass unsere Debattenkultur wirklich zu verrohen droht, wenn schon Politiker sich in der Öffentlichkeit aggressiv und provokant zeigen. Man sollte denen mal den Immanuel Kant vorstellen. Der Philosoph hat im 16ten Jahrhundert gelebt und schon damals einen echt schlauen Satz gesagt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz wird.“ Yes sir! Handle nur so, wie du es willst, eben vernünftig und gerecht. Das heißt abschließend ganz einfach gesagt: Was du nicht willst, das man dir tut´, das füg auch keinem anderen zu.
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Jamila Schäfer, hat auch mal gesagt: „Was im Kindergarten niemals funktionieren würde, ist Normalität in der Bundesregierung.“
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sagt das ganz deutlich: Die AfD trägt zur Verrohung des Diskurses bei!
Ob die AfD tatsächlich dafür verantwortlich ist oder sie nur einen Trend verstärkt haben, weiß ich nicht. Aber wenn man die Debattenkultur wieder anständiger und konstruktiver will, dann wird das nur funktionieren, wenn die Politik vorbildlich vorangeht.
Was natürlich auch nicht schaden kann, wenn jeder für sich selbst überlegt, ob Aggressivität der richtige Weg ist, seine Meinung zu äußern.