Aus meiner Kolumne für das Online-Magazin LangweileDich.net:
Ich bin jung, also bin ich „Fridays for Future“. So leicht kann man das nicht sagen. Viele aus meiner Generation stehen bedingungslos hinter der Bewegung, aber auch genauso viele beurteilen ihre Forderungen kritisch. Grundsätzlich hören sich die Kernforderungen von FFF für die ersten 100 Tage der kommenden Regierung richtig an. Den Druck, den FFF hier aufbaut, ist erst einmal nötig. Damit sich die drei Parteien zeitnah einigen und seriöse Maßnahmen beschließen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Jetzt haben wir aber schon das Zauberwort: Seriosität.
Klar, ein möglichst früher Ausstieg aus allen fossilen Energien hört sich selbstverständlich an. Diese Forderung ist schon richtig, muss dann aber auch sozial gerecht sein. Und das ist Seriosität. Denn hinter einem Ausstieg einer gesamten Industrie, stehen nun mal auch viele Menschen, die ihre Lebensgrundlage dadurch verlieren werden. Aber bei einem Ausstieg brauchen wir natürlich auch einen Einstieg. Eine Beschleunigung der Stromgewinnung durch erneuerbare Energie ist daher ja logisch. Das heißt, hier entsteht eine neue Industrie mit vielen neuen Arbeitsplätzen. Es obliegt somit der Politik, diese zwei sozialen Komponenten zusammenzuführen, also die Wende der Energiegewinnung sozial gerecht zu machen.
Beim Punkt „radikale und gerechte Mobilitätswende“ bin ich mit FFF nicht d’accord. Sie fordern einen Baustopp aller Autobahnen und Bundesstraßen, sowie einen verbindlichen Ausstieg aller Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2025. Grundsätzlich müssen Straßen sicher sein und dahingehend auch immer im besten Zustand. Natürlich wäre ein Umstieg auf die Bahn erstmal umweltfreundlicher, aber erstens müssten die Bahnstrecken dafür umfangreicher ausgebaut werden und zweitens kann man keinem Menschen vorschreiben, wie er sich fortzubewegen hat. Das finde ich als Forderung sehr schwierig.
Einen Ausstieg aus Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren halte ich sogar für eher weltfremd. Denn was ist am Verbrenner wirklich das Problem. Der Verbrennungsmotor oder der Kraftstoff? Fakt ist, der Kraftstoff aus dem Rohstoff Erdöl ist das Problem. Die Kraftstoffe Benzin und Diesel oder Kerosin bei Flugzeugen stoßen nun mal CO2 und andere Luftschadstoffe, wie Stickstoffoxid oder Feinstaub aus. Der Verbrennungsmotor kann so gesehen allein nichts dafür. Wir brauchen daher einen Umstieg auf Kraftstoff, der eben kein CO2 oder andere Schadstoffe ausstößt. Und das gäbe es schon. Nämlich mit Wasserstoff und den synthetischen Kraftstoff, auch E-Fuels genannt. Diese CO2-neutralen Kraftstoffe hätte man schon vor 10 oder 20 Jahren erforschen und herstellen können. Ich möchte hierzu nur mal anmerken, dass die 1. Weltklimakonferenz im Jahr 1979 war und die Tagesschau damals schon darüber berichtet hat. Hier wurde schon angemahnt, dass durch den CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2050 die Temperatur um 2–3 Grad ansteigen wird. Da kann keiner sagen, er hat es nicht gewusst. Ich frage mich immer wieder, warum der synthetische Kraftstoff nicht der Kraftstoff der Gegenwart ist, sondern erst der Zukunft. Und wenn ich mich das frage, wird mir immer wieder bewusst, wie groß der Einfluss der „Ölindustrie-Lobby“ in unserer Politik sein muss.
Wie auch immer, tatsächlich ist nicht der Verbrennungsmotor das Problem, sondern der Kraftstoff. Somit ist für mich eine Abschaffung von Verbrennungsmotoren Quatsch. Wenn also jedes Auto mit Verbrennungsmotor oder Flugzeuge schadstofffrei fahren bzw. fliegen können, dann wäre es glaube ich eine gute Idee, dies endlich auch umzusetzen. Denn bei einem kompletten Umstieg auf Elektromobilität sehe ich wieder eine große soziale Ungerechtigkeit. Nicht jeder kann sich ein Elektroauto leisten. Somit ist die Klimapolitik auch sehr eng mit der Sozialpolitik verwoben. Und bei aller Sympathie für FFF, dieser Faktor kommt da leider viel zu kurz. Eine funktionierende Klimapolitik wird man nur gemeinsam mit der gesamten Bevölkerung schaffen. Deswegen finde ich es schwierig, von der Politik nur zu fordern. Denn der soziale Aspekt ist nun mal genauso wichtig. Und das ist eben der Spagat, den die Politik hier vorturnen muss. Aber eben der einzig seriöse Weg.
Und da ist mir Seriosität ehrlich gesagt wichtiger als irgendwelche Schnellschüsse. Und zu Seriosität zähle ich aber auch die außenpolitische Arbeit der Politik. Denn wenn ich mir als Beispiel das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur (Mercardo Comun del Sur, übersetzt: “Gemeinsamer Markt Südamerikas”), mit den Staaten wie Argentinien, Brasilien, Paraguay oder Uruguay ansehe, dann hat nicht nur FFF, sondern dann habe auch ich große Bedenken dabei. Als EU und somit auch als Deutschland dürfen wir keine Geschäfte wie mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro machen, der für die fatale Zerstörung des Regenwaldes verantwortlich ist.
Wir als Deutschland und EU müssten eigentlich dafür sorgen, dass die Regenwälder geschützt werden. Dass die Meere nicht in Plastikmüll ersticken. Das gehört genauso zur Klimapolitik. Die Regenwälder und die Weltmeere sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass sie das CO2 aus der Luft filtern und Sauerstoff herstellen. Diese Gebiete zu zerstören oder einfach nur dabei zuzusehen und nichts dagegen zu unternehmen, empfinde ich einfach als eine ganz schlechte Idee. Und hier kann Deutschland eben auch international etwas bewirken. Wenn man keine Geschäfte mit Brasilien oder anderen Ländern macht, die bewusst das Klima nicht schützen. Ich finde das wäre auch ein internationales Statement.
Kommen wir zum Anfang zurück: Seriosität ist für mich also das Zauberwort. Zugegeben, die Aufgabe ist riesig und wahnsinnig kompliziert. Daher sehe ich FFF und ihre Forderungen natürlich als wichtig, dass sie den Finger immer wieder in die Wunde legen und Druck aufbauen, aber mehr auch nicht. Ich würde mir auch von FFF wünschen, dass sie die Verantwortung nicht ausschließlich der Politik zuschieben, sondern auch zeigen, dass jeder einzelne eine Verantwortung hat und dafür auch jeden einzelnen motiviert. Jeder kann etwas für ein besseres Klima machen. Das fängt an mit seinem Kaufverhalten und hört auf mit der Partei, die man wählt.