Die Diskussionsrunde am 20.04.23 in München mit Landtagskandidatin Daniela Di Benedetto, Bezirkstagskandidatin Christina Chatziparasidou und Stadträtin Lena Odell war sehr konstruktiv. Ich war als Mitgründerin von Vote16 eingeladen. Es ging nicht nur um die bloße Forderung einer Senkung des Wahlalters. Sondern es wurde gleichzeigt hinterfragt, was würde einen jungen Menschen helfen sich politisch zu informieren. Hierbei spielt die Bildung eine zentrale Rolle. Es braucht dabei natürlich auch eine Reform unserer Bildungspolitik. Denn es muss endlich eine angemessene und wertfreie politische Bildung an den Schulen angeboten werden.
Wie ich schon öfters hingewiesen habe, ist das Wahlrecht ab 16 das meistunterschätzte Diskussionsthema in der Politik. Denn das Thema „politische Teilhabe von junge Menschen“ kann die verschiedenen Generationen zusammenführen oder gegeneinander aufhetzen.
Man kann durch ein Wahlrecht ab 16 eine Generationsgerechtigkeit schaffen, bei der die junge und die alte Generation das gleiche Recht hat. Das Recht für seine Bedürfnisse und für seine Zukunft eine politische Wahl zu treffen.
Oder man diskreditiert junge Menschen im Kollektiv und auf oberflächliche Weise, in dem man einfach behauptet, JEDER junge Mensch besitzt nicht die Fähigkeit für sich eine Wahl zu treffen.
Nach vielen Gesprächen mit politischen Gegnern des Wahlrechts ab 16 Jahren, habe ich ein gewisses Schema festgestellt:
Es beginnt meistens mit der Begründung der vollen Strafmündigkeit ab 18. Was mich immer wieder verwundert. Denn darf ein 17-Jähriger junger Mensch straffrei machen, was er will? Nein! Natürlich nicht. Ab 14 ist man genauso strafmündig, wie jeder Erwachsener. Nur, dass hier nicht das allgemeine Strafrecht, sondern das Jugendstrafrecht gilt. Eine schwere Tat kann somit für einen Jugendlichen genauso mit einer Freiheitsstrafe enden. Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht sind 10 Jahre Freiheitsstrafe. Somit ist diese Begründung eine Farce.
Dann kommt in der Regel die Begründung mit der vollen Geschäftsfähigkeit. Mir bleibt aber nach wie vor der Zusammenhang zwischen einer Geschäftsfähigkeit und einem Wahlrecht verborgen. Es gibt 16-Jährige die arbeiten oder eine Ausbildung machen und somit auch Steuern zahlen. Und natürlich darf jeder 16-Jährige nach §110 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch ohne Zustimmung der Eltern etwas kaufen, wenn es aus eigenen Mitteln ist (wie z.B. das Ausbildungsgehalt). Und ab 16 übrigens auch Alkohol. Ein junger Mensch will ja einen Politiker nur wählen und nicht kaufen!
Dann kommt oft die Begründung mit der Verantwortung im Straßenverkehr. Was soll man dazu sagen. Schüler werden nicht alle mit dem Taxi zur Schule chauffiert. Mit 15 darf man den „Motorroller-Führerschein“ machen. Die früheste Möglichkeit mit dem Pkw-Führerschein zu beginnen hat man mit 16,5 Jahren, somit kann ein junger Mensch mit 17 schon hinter dem Steuer sitzen.
Und die letzte verzweifelte Begründung gegen ein Wahlrecht ab 16 ist dann immer die Aussage mit der Unreife und der leichten Manipulierbarkeit junger Menschen. Was denkt man passiert beim 18. Geburtstag? Bekommt man mit einem Klick die plötzliche Weisheit? Mit 17 ist man also unreif. Und am nächsten Tag mit 18 ist man es plötzlich nicht mehr. Es gibt 30-Jährige die spielen mit Darth Vader Figuren. Das klingt schon extrem reif. Und wer fällt immer wieder auf den bekannten „Enkeltrick“ rein? Mehr muss man glaube ich nicht mehr dazu sagen.
Natürlich brauchen junge Menschen das nötige Wissen über unsere Demokratie und Politik. Aber das obliegt nicht dem Jugendlichen, sondern dem Bildungsminister des Landes. Man darf dem jungen Menschen nicht vorwerfen, kein Wissen über Politik zu haben, wenn es in er Schule kein Thema ist.
Aber was ist der wahre Grund von Parteien gegen ein Wahlrecht ab 16 zu sein?
So gesehen, sind alle Begründungen gegen ein Wahlrecht ab 16 eine Farce und sehr leicht widerlegbar. Deshalb muss man sich schon fragen, warum gibt es Parteien, die so vehement dagegen sind. Und genau das hat mir der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) schon für mein Buch „How to Politik – von Hä? zu Ah!“ (Dressler Verlag) gesagt: „Es ist immer die Partei gegen ein Wahlrecht ab 16, die einen Nachteil im Wahlausgang dadurch befürchtet! ! !“ (Christian Wulff)
Eine Gesellschaft entwickelt sich immer weiter im Laufe der Zeit. Vor nur 104 Jahren (1919) wurde das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Und vor 51 Jahren (1972) das Wahlrecht von 21 auf 18 gesenkt. Somit wäre es doch an der Zeit den nächsten Schritt zu gehen. Nicht mehr und nicht weniger! Livia J.Kerp