Jeder will so schnell wie möglich die schlimme Zeit der Pandemie vergessen. Abhaken. Endlich wieder Normalität aufbauen. Für mich ist das natürlich auch absolut nachvollziehbar.
Aber es ist leider nicht so einfach wie sich anhört. Besonders für die jungen Menschen die während der Pandemie in der Schule waren. Das kann man aber nur nachvollziehen, wenn man es tatsächlich erlebt hat. Ich musste mein Fachabitur in der Hochphase der Pandemie schreiben.
Meine letzten zwei Schuljahre waren geprägt von Schulschließungen, digitalen Unterricht und psychischer Belastung.
Eine Schulabschlussprüfung, egal auf welcher Schule, ist letztendlich der Höhepunkt der Schulzeit. Im Normalfall ist die Zeit der Prüfungsvorbereitung und der Abschlussprüfung stressig genug. Aber in unserem Fall wurde der Stresspegel durch die Pandemie sogar noch mehrfach multipliziert.
Das letzte Schuljahr und die Prüfungsvorbereitung fand entweder online statt oder im Schichtsystem in den Klassenräumen. Die Hälfte der Klasse hatte Online-Unterricht und die andere Hälfte war im Klassenzimmer. Natürlich immer mit geöffneten Fenster (auch im Winter) und mit Masken.
Aber wenn der Schulserver ständig überlastet ist und der digitale Unterricht darin besteht, dass man über E-Mail seine Aufgaben bekommt und sie dann allein auswerten muss, hat das nicht viel mit normalen Unterricht zu tun. Es fehlte vor allem der Austausch mit anderen Schülern. Ein guter Unterricht lebt auch vom gegenseitigen Austausch und Erklären. Das viel komplett weg.
Nicht jeder Schüler hatte zu Hause auch seinen eigenen Laptop oder einen Rückzugsraum zum Lernen. Auch nicht jeder Lehrer hatte die digitalen Kenntnisse, um einen digitalen Unterricht überhaupt durchführen zu können.
Und nicht nur bei Schülern gab es psychische Probleme mit der Pandemie. Auch Lehrer fielen aus gesundheitlichen Problemen oftmals aus. Das machte es für alle Beteiligten natürlich noch stressiger.
Für mich hat dieser bestandene Schulabschluss insofern an Wert zugenommen, da jeder Schüler bewiesen hat, dass er mit Stress umgehen kann, und die Fähigkeit hat sich selbst zu motivieren.
Aber was hat die Politik daraus gelernt? Für mich, als ehemalige Schülerin zu dieser Zeit, leider viel zu wenig. Was hatte damals augenscheinlich gefehlt?
Es gab zu wenig Lehrer.
Es gab viel zu wenig IT-Fachpersonal.
Sozialarbeiter fehlten komplett.
Zu viele Schüler in einer Klasse.
Mangel an Räumlichkeiten.
Die digitalen Voraussetzungen (Hardware und Benutzung) für Homeschooling war nicht ausgereift.
Natürlich kann die Politik in Form der Bildungsministerien nicht sofort alles besser machen. Aber hat eine Aufarbeitung der Probleme während der Pandemie überhaupt schon stattgefunden? Und wie soll diese Aufarbeitung ablaufen, wenn kein einziger junger Mensch dabei ist, der das auch wirklich miterlebt hat?
Wie soll ein Politiker von außen das beurteilen können, ohne diese Lebensrealität zu kennen?
Die Pandemie hinterließ in der Gesellschaft viele Verlierer aber die Schüler dürften einen Spitzenplatz einnehmen. Denn es hinterließ nicht nur bei jungen Menschen und deren Familien Spuren, sondern es wurde auch sichtbar wie anfällig und veraltet unser Schulsystem tatsächlich ist.
Ich persönlich habe damals versucht das Beste daraus zu machen. Ich konnte sogar in meinem Schulabschlussjahr während der Pandemie mein jugendpolitisches Buch „How to Politik“ schreiben. Einfach auch aus dem Grund, weil ich mir sehr oft täglich zwei Stunden Fahrtzeit zur Schule sparen konnte. Und weil mich die Situation motivierte meine Generation auf politische Themen aufmerksam zu machen.
Deswegen ist für mich eine Modernisierung des Schulsystems zwingend notwendig. Und dafür braucht es keine Millionen. Sinnvoll wäre schon mal eine echte bundesweite Bildungsgerechtigkeit und soziale Chancengleichheit.
Ein Kommentar von Livia Kerp